Der Sommer der Blaubeeren by Mary Simses

Der Sommer der Blaubeeren by Mary Simses

Autor:Mary Simses
Die sprache: eng
Format: azw3, mobi
Herausgeber: Blanvalet
veröffentlicht: 2014-03-12T23:00:00+00:00


12

Hahnenkampf

»Hayden!« Ich ließ das Tablett fallen, Teller und Geschirr flogen krachend zu Boden. Den Gang runter machte eine Frau die Tür auf, spähte herauf und schloss sie dann wieder. »Was machst du denn hier?«

Hayden stand vor mir, sein zerzaustes Haar ein goldener Kontrast zum grauen Anzug von Savile Row. Die gelbe Krawatte aus italienischer Seide, die ich ihm letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte, war um den Kragen eines makellosen weißen Hemds gebunden. Er sah sehr attraktiv aus.

»Alles in Ordnung?« Er lächelte und beäugte das verstreute Geschirr.

Ich schlang die Arme um ihn, verbannte alle Gedanken an Roy und atmete den Duft nach Leder und Gerichtssälen, Vorstandszimmern mit üppiger Mahagonivertäfelung und jahrhundertealten Aubusson-Teppichen ein. »Mir geht’s gut«, sagte ich. »Ich bin bloß überrascht, das ist alles.«

Er drückte seine Lippen auf meine und gab mir einen langen, liebevollen Kuss, und einen Moment lang fühlte ich mich wieder in New York, wo ich mit dem Taxi fuhr und Telefonkonferenzen abhielt und in Limousinen herumkutschiert wurde und zu Benefizveranstaltungen in der Oper und zu Museumsgalas ging. Ich sah mich in unserer Wohnung, wie wir am Sonntagmorgen gemütlich auf dem Sofa faulenzen und Kaffee trinken, die Zeitungen liegen aufgeschlagen auf dem Tisch, und das Sonnenlicht strömt zum Fenster herein. Es fühlte sich gut an, dort zu sein.

Wir sammelten das verstreute Geschirr ein, und Hayden folgte mir ins Zimmer. »Warum hast du mir nicht gesagt, dass du kommst?«, fragte ich.

»Ich wusste bis heute Nachmittag selbst nicht, dass ich komme.«

Ich drehte mich zu ihm, um ihm den Mantel abzunehmen, und sah, wie er sich umschaute.

»Hier wohnst du schon die ganze Zeit?« Seine Augen huschten von der Keramikwaschschüssel und dem gesprungenen Krug zu dem unbequemen Holzstuhl und dem winzigen Badezimmer mit dem Glas voller Kugelschreiber und Bleistifte auf dem Spülkasten der Toilette.

Ich hing seinen Mantel über die Stuhllehne. »So schlecht ist es gar nicht.«

Er sah mich skeptisch an. »Ellen Branford, die Königin der 5-Sterne-Hotels, sagt mir, hier sei es gar nicht so schlecht? Ich bin beeindruckt.«

»Ehrlich«, beteuerte ich und nahm sein Jackett. »Ich finde es eigentlich ganz niedlich.«

Er hob das Kinn und sah mich prüfend an. »Du siehst ein bisschen … ich weiß nicht …« Er hielt inne. »Irgendetwas ist anders.« Einen Moment lang betrachtete er mein Gesicht genauer. »Ach, du hast kein Make-up drauf. Vielleicht ist es das.«

»Habe ich nicht?« Ich tastete nach meiner Wange.

»Schau nicht so erschrocken.« Er lachte. »Du brauchst es nicht.«

Ich wunderte mich, wie ich vergessen haben konnte, Make-up aufzulegen. »Ich schätze, ich war heute Morgen so in Eile«, sagte ich. »Ich hab eine alte Freundin meiner Großmutter in einem Pflegeheim besucht.«

»Eine Freundin hier?«, fragte Hayden erstaunt, strich mir die Haare aus dem Gesicht und sah mir prüfend in die Augen.

»Ja. Du glaubst nicht, was ich heute herausgefunden habe.« Ich erzählte ihm von dem Mann in dem Fotoladen und dem Bild, das im Gebäude der Historischen Gesellschaft von Beacon hing, und von dem Zeitungsartikel aus der Bibliothek. »Es gibt Sachen, die wir von meiner Großmutter überhaupt nicht wussten.«

Er warf mir einen neugierigen Blick zu. »Fast so, als hätte sie ein geheimes Doppelleben geführt.



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